Neujahrsgrüße aus Tschechien und der Slowakei

Jeder Jahreswechsel ist ein bedeutender Meilenstein, aber dieser ist für zwei kleine Länder im Herzen Europas in einer anderen Hinsicht einzigartig – vor genau 30 Jahren begann nämlich ihre Existenz. Der 31.12.1992 war der letzte Tag, an dem der Staat „Tschechoslowakei“ offiziell auf der Landkarte existierte. Dabei war er erst 74 Jahre zuvor auf sie gekommen.

Das Hauptmotiv für die Gründung des gemeinsamen Staates der Tschechen und Slowaken im Jahr 1918 war die Idee des „Tschechoslowakismus“ – der Wunsch, eine Mehrheit gegenüber der deutschen und ungarischen Bevölkerung zu gewinnen. Nach der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei im Jahr 1945 war dieser ursprüngliche Grund zwar abgeschwächt, aber dennoch identifizierten sich die Tschechen während des gesamten Bestehens des gemeinsamen Staates viel stärker mit diesem als die Slowaken. Aus diesem Grund ging die Hauptinitiative für die Teilung der beiden Länder von der Slowakei aus.

Der letzte Name vor der Trennung der beiden Staaten – „Tschechische und Slowakische Föderative Republik“ – veranschaulicht gut die Probleme, die die beiden Staaten im Zusammenleben hatten. Nach 1989 gipfelten diese unter anderem in Auseinandersetzungen und langen Diskussionen darüber, wie der gemeinsame Staat heißen sollte, dem so genannten „Bindestrich-Krieg“ (ob ein Bindestrich in den Staatsnamen eingefügt werden sollte, um den Namen der Slowakischen Republik besser sichtbar zu machen). Aber die Probleme lagen natürlich tiefer und betrafen viele Ebenen der Funktionsweise beider Staaten.

Die Teilung der Föderation ist hauptsächlich auf die Verhandlungen zwischen dem tschechischen Premierminister Václav Klaus und dem slowakischen Premierminister Vladimír Mečiar zurückzuführen. Die Unvereinbarkeit der siegreichen politischen Parteien in beiden Staaten – ODS und HZDS, die von den beiden genannten Männern angeführt wurden – trug zur Beschleunigung dieses Prozesses bei.

Die Teilung der CSFR brachte natürlich viele Probleme mit sich – nicht nur die Festlegung der Grenzen, durch deren Kontrollen jetzt neu viele Verwandte zueinander reisen mussten, sondern auch die Festlegung und Zuweisung der Staatsbürgerschaft an die Bewohner des bis dahin gemeinsamen Staates. Außerdem die Aufteilung des beweglichen und unbeweglichen Staatseigentums im In- und Ausland (im Verhältnis 2:1 zur Bevölkerung), die Armee, die Behörden, die Institutionen, die Unterzeichnung aller internationalen Verträge und natürlich die Schaffung eigener Verfassungen.

Ob die Teilung notwendig war, ist ein Thema, das anlässlich dieses Jahrestages im Lande sicher wieder diskutiert wird. Meinungsumfragen in der Tschechischen Republik haben ergeben, dass vor 30 Jahren in der Tschechischen Republik viel weniger Menschen die Teilung der Staaten befürworteten als in der Slowakei, wo dieser Akt ein viel stärkeres und länger bestehendes politisches und öffentliches Thema war. 10 und 20 Jahre später hat sich der Prozentsatz der Bevölkerung, der die Trennung als richtig ansieht, erhöht. Wir werden sehen, was die Befragungen in diesem Jahr zeigen werden – sicher ist jedoch, dass für eine historische Bewertung noch mehr Zeit erforderlich sein wird…

Es ist also kein Zufall, dass im Januar in der Tschechischen Republik  ein weiteres wichtiges Ereignis ansteht – die Wahl des Präsidenten, die dritte Direktwahl, bei der das Volk selbst den Nachfolger von Miloš Zeman bestimmen wird. Er ist seit 10 Jahren im Amt (2 Amtszeiten von je 5 Jahren). Dies ist eine Art Tradition der tschechischen Präsidenten, denn sowohl Václav Klaus als auch Václav Havel hatten das Amt so lange wie möglich inne.

Die Hauptfavoriten für die Wahl im Januar sind der ehemalige Premierminister Andrej Babiš, der ehemalige Generalstabschef der Tschechischen Republik und Vorsitzende des NATO-Militärausschusses General Petr Pavel, sowie die Wirtschaftswissenschaftlerin und ehemalige Rektorin der Mendel-Universität in Brünn Danuše Nerudová. Die Gesellschaft ist derzeit sehr gespalten, was die Präsidentschaftswahlen angeht, und es ist zu erwarten, dass der Januar in der tschechischen Politik (und den Medien) sehr intensiv und scharf diskutiert wird. Und ob es dem/der GewinnerIn gelingen wird, die gespaltene Gesellschaft mit Einsicht und Respekt wenigstens ein bisschen zu vereinen. Alles versprechen es, wir können es jedoch nur hoffen….

Das Thema Tschechische Republik taucht nicht zufällig im Blog der Netzwerkstatt auf. Seit einem halben Jahr bin ich, Petra Zahradníčková, neues Teammitglied. Meine Hauptaufgabe wird es sein, unsere derzeitige Arbeit um eine tschechische Perspektive und ein tschechisches Publikum zu erweitern. Gleichzeitig werde ich neue „tschechische“ Themen in unsere Arbeit einbringen, die aus der „deutschen Perspektive“ nicht so sichtbar und bekannt sind.

Wir freuen uns auf eine gemeinsame tschechisch-deutsche Reise, zu der wir Sie natürlich einladen und informieren.

Frohes neues Jahr und bis bald!

PZ & PW

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