360° Töne aus dem Untergrund — Subkultur in der DDR
„Wir wollten anders sein, uns abheben, provozieren…rebellieren […].“
Am 2.10.2018 fand die 360° Veranstaltung mit dem Thema Subkulturen in der DDR im Keller des Zittauer Rathauses statt. Bei einer angenehmen Atmosphäre in einer Runde mit „Jung und Alt“ wurden Geschichten erzählt und mit musikalischer Untermalung in Erinnerungen geschwelgt. Bei der Dialogrunde stand das Thema Musik im Vordergrund, denn oftmals war es diese, welche die jungen Menschen zu einer Subkultur vereinte. Sie war die Verbindung zwischen den vielen verschiedenen Persönlichkeiten, die alle eines gemeinsam hatten, nämlich die Unzufriedenheit gegenüber der Regierung und den Drang anders zu sein.
Mit Gästen wie zum Beispiel Bernd Stracke gab es viel Input aus mal einer anderen Perspektive als man vielleicht sonst schon einmal aus Filmen oder aus der Schule mitbekommen hat. Stracke ist Leipziger und war früher in der örtlichen Punkszene der Messestadt aktiv. Er war Mitglied der Bands „Wutanfall“ und später „L´Attentat“ und kritisierte in seinen Texten das System und die Regierung der DDR.
Es gab verschiedene Arten von Subkulturen. Die jungen Menschen versuchten auf ihre Art etwas zu bewegen oder einfach ihren Standpunkt klar zu machen. Es gab zum Beispiel die „Tramper“, „Blueser“, „Hippies“ oder eben auch die „Punks“, welche ein teilweise sehr provokantes Auftreten hinlegten. Mit ihren ungewöhnlichen Outfits und schrägen Frisuren hatten sie ein Ziel. Auffallen. Anders sein. Provozieren. Das Punk Sein war nicht einfach nur die Musik zu hören und so auszusehen wie ein typischer Punk. Es war eine Lebenseinstellung. Stracke meinte das seine Generation sich noch einmal ganz klar von der seines fünf Jahre älteren Bruders abhob bzw. abheben sollte. Er sagte: „Mein Bruder…ach das waren für mich alte Leute, wir wollten was anderes, was eigenes. […]“.
Neben den vielen Geschichten und Erlebnissen von Stracke aus den Großstädten wie Leipzig oder Berlin, war auch Thema wie man hier in Zittau dieses „Untergrundleben“ mitbekam. Wie sich herausstellte gab es auch hier viele Musikliebhaber und politisch engagierte Leute, jedoch war dieses extreme Szenenleben bei weitem nicht so ausgeprägt wie in den größeren Städten. Zittau wirkt fast ein wenig verschlafen wenn man es mit den Eindrücken von Stracke aus Leipzig oder Berlin vergleicht.
Auch hier gab es die typischen Jugendtreffs und junge Leute die sich mit ihrem Aussehen von den anderen abhoben, allerdings waren das nur Einzelfälle im Vergleich zu den großen Städten. Es war auch schwierig hier in der Gegend vieles überhaupt mitzubekommen, da Bands wie zum Beispiel „Wutanfall“ (o.a.) nicht im Radio übertragen wurden.
Allerdings erfuhren wir auch von einem Jazz-Festival das in Peitz in der Nähe von Cottbus stattfand. Anfangs fand es in dem Filmtheater von Peitz statt, zunächst als kleines Konzert verschiedener Gruppen, doch als sich schließlich die Zuhörer „vermehrten“ wichen die Veranstalter an einen See aus und veranstalteten ein Open Air Festival. Dieses fand wie uns erzählt wurde bei Wind und Wetter statt und war auch weit verbreitet bekannt. Auch Bands aus Polen oder Tschechien spielten dort.
Neben ein paar Lachern, über damalige Aktionen oder den einen oder anderen Musiktitel, gab es auch ein paar unangenehme Erlebnisse die die ehemaligen DDR-ler mit uns teilten. Das forsche Vorgehen der Polizei und die ständige Überwachung der Stasi, waren Dinge die eben vor allem junge Leute die nicht „normal“ aussahen oder ihre kritische Meinung öffentlich kund taten, zu spüren bekamen.
Die Stasi wusste zunächst nicht so recht mit den vielen verschieden Gruppen der Subkultur umzugehen. Um es den Polizisten leichter zumachen wurden die Gruppen nach ihrem Aussehen und Verhalten eingeteilt und es entstand eine Art „Handbuch“ um junge Leute bei einer Kontrolle einfacher zuordnen zu können. Dies waren Maßnahmen um diese Szenen zu zerschlagen und aufzulösen. Auch Stracke bekam das zu spüren. Ihm wurde wie auch anderen der Ausweis entzogen und ein „Ersatz“ zugeteilt. Dieser erlaubte es jedem Polizisten ihn mit auf die Wache zu nehmen und dort festzuhalten ohne, dass es einen triftigen Grund gab. Auch Haftstrafen wurden gegen die jungen Menschen, die sich nicht anpassen wollten, veranlasst. Das und der oftmals anschließende Freikauf durch die BRD waren Dinge von denen uns auch Bernd Stracke berichtete.
So spannend wie die verschiedenen Geschichten und unterschiedlichen Eindrücke auch anzuhören waren neigte sich die Veranstaltung bald dem Ende. Mit lockeren Gesprächen unter den Teilnehmenden wurde der Abend abgerundet und hinterließ vielleicht bei dem ein oder anderen einen bleibenden Eindruck und gab den Anwesenden ein paar Dinge zum Nachdenken mit nach Hause.
Fotos von Martin Kunack
Text von Neele Polke
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