UNSICHTBARE SYNAGOGEN
Fotografien von Štěpán Bartoš
Am Donnerstag, den 26. Januar, fand in der Kulturkneipe Jolesch in Zittau die Vernissage der Fotografien „Unsichtbare Synagoge“ statt. Die Ausstellung präsentiert fast 20 originale, mechanisch bearbeitete Fotografien des ostböhmischen Fotografen Štěpán Bartos, der Orte in der Tschechischen Republik vorstellt, an denen früher jüdische Synagogen standen.
An der Eröffnung nahm nicht nur der Künstler selbst teil, er wurde auch durch einen thematischen Vortrag über die jüdischen Gemeinden und die Synagogen im ehemaligen Sudetenland bereichert. Gehalten hat diesen Dr. Markéta Lhotová von der Abteilung für Geschichte der Technischen Universität Liberec. Zur musikalischen Rahmung haben Schülerinnen der Kreismusikschule Dreiländereck in Zittau drei Stücke gespielt.
An der Vernissage nahmen mehr als 60 Besucher:innen teil. Das gesamte Programm in tschechischer und deutscher Sprache wurde simultan gedolmetscht.
Die Ausstellung ist noch bis zum 31.3.2022 in der Kulturkneipe Jolesch (Klienerbergerplatz 1, Zittau) zu sehen, auf Anfrage bei netzwerkstatt@hillerschevilla.de auch außerhalb der Öffnungszeiten. Weitere Informationen zum Projekt „Unsichtbare Synagogen“ finden Sie hier.
Verschwinden der Synagogen in Tschechien
Die ausgestellten Fotos führen uns zu den Orten in der Tschechischen Republik, an denen früher jüdische Synagogen standen. Sie wurden nicht spontan und zu ganz unterschiedlichen Zeiten zerstört. Viele Faktoren haben nach und nach eine Rolle gespielt – von den zunehmend nicht mehr so aktiven jüdischen Gemeinden und dem Wiederaufbau der Städte zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis hin zu zwei Regimen mit verheerenden Folgen auf allen Ebenen – dem Nazismus und dem Kommunismus.
Seit dem Mittelalter stehen Synagogen im Mittelpunkt des religiösen, erzieherischen und sozialen Lebens der jüdischen Gemeinden. Vor allem das 19. Jahrhundert brachte eine bedeutende Emanzipation mit sich, die sich in bemerkenswerten architektonischen Leistungen äußerte, die oft von den verschiedenen Baustilen der Vergangenheit inspiriert waren. So wurde die Synagoge zu einem sichtbaren Bestandteil des Bildes vieler tschechischer Städte und Dörfer. Im urbanen Raum als repräsentativer Bau an einer renommierten Adresse. Abseits der Städte häufiger als bescheidenes Gebäude im jüdischen Viertel.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lösten sich einige jüdische Gemeinden auf, das religiöse Leben konzentrierte sich auf größere Gemeinden und einige kleinere Synagogen dienten nicht mehr religiösen Zwecken oder wurden nur noch sporadisch genutzt.
Die in Teschechien heute noch geläufig als „Kristallnacht“ benannten Novemberpogrome von 1938 waren ein entscheidender Wendepunkt. In den Tagen um den 9. November 1938 kam es unter der Führung von SS-Truppen auf dem Gebiet des „Sudetenlandes“, das zu diesem Zeitpunkt bereits vom Deutschen Reich annektiert worden war, zu einem groß angelegten Angriff auf die jüdischen Gemeinden. Sowohl durch die Ermordung von Menschen als auch durch die Zerstörung von jüdischem Eigentum, wurde jüdisches Leben in Tschechien massiv beeinträchtigt. In kürzester Zeit entstanden irreparable Schäden an Gebäuden und insbesondere an der Inneneinrichtung, die entweiht und irreparabel beschädigt wurde.
Der Begriff „Kristallnacht“ ist ein propagandistischer Begriff der Nationalsozialisten, der dem eliminatorischen Pogrom einen glanzvollen Namen verlieh. Heute spricht man dagegen von „Reichspogromnacht“ oder besser den Novemerpogromen, denn die Zerstörung beschränkte sich bei weitem nicht auf diese eine Nacht. In Tschechien aber auch anderen Ländern wie z.Bsp. den USA wird der Begriff „Kristallnacht“ bis heute verwendet, wobei er klar an ein negatives Ereignis erinnert.
Die nächste Welle der Zerstörung von Synagogen und der Liquidierung (nicht nur) der jüdischen Gemeinde fand nach der Besetzung der Tschechoslowakei und der Ausrufung des Protektorats Böhmen und Mähren am 15. März 1939 statt. Während der nationalsozialistischen Besatzung wurden Tausende von Menschen im Land hingerichtet, 70.000 tschechische Juden starben in Konzentrations- und Vernichtungslagern, und Tausende weitere wurden zur Arbeit in Deutschland gezwungen.
Die jüdischen Gemeinden waren damit fast vollständig zerstört und die Pflege der mit ihr verbundenen Gebäude und Gegenstände verwaiste fast völlig. Während des Krieges und auch nach Kriegsende wurden Synagogen noch Opfer von Bombenangriffen.
In der anschließenden lange Periode des kommunistischen Totalitarismus bis 1989 schritt der Verfall der Gebäude weiter fort. Ohne ihre meist ermordeten oder vertriebenen Nutzer:innen verfielen die Synagogen, oder wurden umgenutzt und entwertet. Das kommunistische Regime pflegte eine selektive Geschichtspolitik, negierte den spezifischen Status jüdischer Opfer, nahm keine Rücksicht auf deren Geschichte, hatte keinen Sinn für die Schönheit der jüdischen Sakralbauten und sanierte stattdessen ganze Stadtteile pragmatisch für den Bau von Wohnsiedlungen oder errichtete eigene kommunistischen Tempel.
Die ausgestellten Fotos zeigen die Orte, an denen früher die Synagogen standen. Manchmal ist es offensichtlich, dass etwas auf dem Bild „fehlt“ – nur die Synagoge ist verschwunden und andere Gebäude im ähnlichen Stil sind geblieben (z. B. Foto 1 – Františkovy Lázně). Dies gilt insbesondere für die Folgen der Novemberpogrome im Sudetenland. Häufig ist es jedoch schwierig, sich die ursprüngliche städtebauliche Situation eines Ortes vorzustellen, der durch den sogenannten Aufbau des Sozialismus (z. B. Foto 2 – Svitavy) und den auf die Samtene Revolution 1989/90 folgenden Neubau (z. B. Foto 3 – Ústí nad Labem) überrollt wurde.
Einige der Gebäude, die heute an den Standorten der ursprünglichen Synagogen stehen, verweisen noch auf deren Geschichte. Ein Beispiel dafür ist die Bibliothek in Liberec, ein modernes Gebäude aus dem Jahr 2000, das auch eine Synagoge umfasst. (s. Foto 4.)
Lassen wir uns von diesem Ansatz dazu inspirieren, das Gewicht der Geschichte anzunehmen. Erinnerung ist der einzige Weg, sich die Vergangenheit gegenwärtig zu machen, um ihre Wiederkehr in der Zukunft zu verhindert …
PZ und Štěpán Bartoš